Prof Scheuermann (LE)
Zur Person
Wie verlief Ihr Lebensweg (Ausbildung, Wohnorte, …), bis Sie an der TU Darmstadt als Professor:in/Dozent:in berufen wurden?
Nach dem Abitur habe ich Mathematik und Informatik an der Uni Mannheim studiert. Von der Grenze zwischen diesen beiden Fächern bin ich dann nach und nach immer weiter auf die angewandte Seite der Informatik gedriftet – mit einer Promotion im Bereich Rechnernetze an der Uni Düsseldorf, einem Abstecher an die Universität Cambridge, einer Juniorprofessur im Bereich Mobile Netzwerke. Und dann wanderte ich schließlich innerhalb der Informatik immer näher an die Informationstechnik: Ich hatte eine Professur für Telematik in der Luft- und Raumfahrtinformatik an der Universität Würzburg, eine Professur für IT-Sicherheit an der Universität Bonn und zuletzt für fast zehn Jahre den Lehrstuhl für Technische Informatik an der Humboldt-Universität zu Berlin. Von dort bin ich dann nach Darmstadt gekommen, und – jetzt auch auf meinem Türschild – endgültig in der Elektro- und Informationstechnik angekommen.
Was war Ihr Lieblingsfach/Hassfach in der Schule?
Mir hat in der Schule fast jedes Fach Spaß gemacht, deswegen ist gar nicht so leicht zu sagen, was mein Lieblingsfach war. Jede Woche ein anderes, aber die MINT-Fächer vermutlich etwas häufiger als die anderen. Dass der Sportunterricht und ich miteinander nicht glücklich wurden, daran hat sich allerdings über alle Schuljahre hinweg nichts geändert.
Was hat Ihnen in Ihrem eigenen Studium besonders gut und was nicht gefallen?
Toll fand ich die große Freiheit, selbst entscheiden und selbst gestalten zu können. Nach den Grundlagenfächern in den ersten Semestern selbst Schwerpunkte setzen zu können und mir von vielen cleveren Leuten diejenigen Dinge erklären zu lassen, die mich besonders faszinieren – das war toll. Ich habe damals auch gemerkt, dass Freiheit zugleich eine große Herausforderung ist: Wer das eigene Lernen, wie in einem Studium üblich, viel stärker als in der Schule selbst gestalten, selbst strukturieren darf, muss es eben auch hinkriegen, sich selbst zu organisieren und zu fokussieren. Das ein oder andere blaue Auge (im übertragenen Sinne) habe ich mir dabei geholt – wie wahrscheinlich fast jede:r. Aber ich bin auch persönlich sehr daran gewachsen.
Wie sind Sie dazu gekommen Professor:in/Dozent:in zu werden? Haben Sie Vorbilder oder Idole?
Es mag etwas enttäuschend klingen, aber ich muss gestehen: Ich bin da eher reingestolpert als dass ich mit einem großen Master-Plan aus Kindergarten-Zeiten aufwarten könnte. Im Studium habe ich gemerkt, dass mir das Arbeiten an wissenschaftlichen Fragestellungen großen Spaß macht. Als mir dann eine Promotionsmöglichkeit angeboten wurde, fiel die Entscheidung leicht, diese Gelegenheit beim Schopf zu packen. Während der Promotion lief es ganz gut – anscheinend hatte ich ein bisschen Talent für sowas, und zudem schon früh viel Freude an der Lehre. Da führte dann eins zum anderen. Und jetzt hänge ich also immernoch an der Uni rum. ;-)
Was gefällt Ihnen am besten in und an Darmstadt?
Da kann es ja nur eine Antwort geben: natürlich die TU. ;-) Aber abgesehen davon hat die Stadt für meinen Geschmack eine sehr angenehme Größe und, soweit ich das bisher beurteilen kann, auch sehr viele nette Menschen und vor allem viele clevere Studis. Weiteres muss ich selbst noch erkunden – ich bin ja noch gar nicht so lange da.
Zur Lehre
Wie lange sind Sie bereits an der TU Darmstadt als Professor:in/Dozent:in tätig?
Auf dem Papier habe ich im Oktober 2021 in Darmstadt angefangen. Das war eine relativ kurzfristige Entscheidung, sodass ich noch nicht gleich zu diesem Termin umziehen konnte. Das war auch gar nicht nötig, denn mein erstes Semester in Darmstadt war ein reines Corona-Online-Semester mit vielen Zoom-Meetings und Vorlesungsaufzeichnungen. Wirklich dauerhaft vor Ort bin ich seit Ende des Wintersemesters 21/22.
Welches ist Ihr Fachgebiet?
Mein Fachgebiet an der TU Darmstadt heißt „Kommunikationsnetze“.
An welchen aktuellen und spannenden Themen forschen Sie derzeit?
In meiner Forschung interessiere ich mich dafür, nach welchen Regeln Computer miteinander kommunizieren können beziehungsweise sollten. Das Netzwerk kann dabei das Internet sein oder ein Mobilfunknetz, aber zum Beispiel auch ein Netzwerk in einer Gruppe von Satelliten oder ein Netzwerk zwischen Sensoren und Aktoren in einer Fabrik. Verschiedene Anwendungsfälle von Netzwerken bedeuten völlig unterschiedliche Rahmenbedingungen und ganz unterschiedliche Ziele, die erreicht werden sollen. Das bedeutet dann auch, dass die „Sprachen“, die die Geräte im Netzwerk miteinander sprechen – in der Fachsprache nennt man sie „Protokolle“ – sehr unterschiedlich aufgebaut sein müssen. In meinem Team entwickeln und untersuchen wir solche Protokolle, nach denen die Kommunikation erfolgen sollte, um neuartige Netzwerke und neue Anwendungen von Kommunikationsnetzen möglich zu machen. Ich finde dieses Gebiet so spannend, weil es methodisch so vielseitig ist: Man kann mit Hardware oder mit Software (oder mit beidem) arbeiten, man kann mathematisch modellieren, simulationsbasierte Untersuchungen machen oder ganz praktisch einen Prototypen bauen, man muss Entwurfsziele im Bereich Geschwindigkeit und Robustheit genauso im Blick haben wie Ressourceneffizienz oder mögliche Angriffe auf die Systeme, die man entwirft. Und man kann sich immer wieder neue Anwendungsgebiete mit immer neuen Herausforderungen erschließen und damit immer wieder etwas neues dazulernen.
Welchen Tipp würden Sie einem Erstsemester geben, der Ihre Veranstaltung besucht und worauf kann er sich am meisten freuen?
An meiner Erstsemesterveranstaltung, dem Modul „Logischer Entwurf“, gefällt mir besonders, dass man darin schon sehr früh Möglichkeiten hat, gestaltend zu arbeiten – also Dinge zu entwerfen, die eine Funktionalität haben, die über die Funktion ihrer Einzelbestandteile weit hinausgeht. Wer sich für ein Studium an unserem Fachbereich einschreibt, möchte Ingenieur werden, also Dinge nicht nur analysieren und verstehen, sondern auch entwerfen und technisch möglich machen. Das kann man im Logischen Entwurf schon im ersten Semester erleben. Natürlich gestalten wir dabei zunächst nur in einer überschaubaren Größenordnung, aber das Fach ist in seinem Kern konstruktiv: Wenn ich dies und jenes als Bausteine zur Verfügung habe und etwas entwerfen möchte, das diesen oder jenen Zweck erfüllt – wie kann ich systematisch herangehen, um eine Lösung zu finden? Welche mehr oder weniger cleveren Varianten lassen sich finden, und welche Vor- und Nachteile haben sie? Und worauf muss ich achten, um nicht nur irgendeine Lösung, sondern eine gute Lösung zu finden? Wer Spaß am Tüfteln und kreativen Problemlösen hat, wird sicherlich auf ihre bzw. seine Kosten kommen. Daraus ergibt sich auch der vielleicht wichtigste Tipp: Diese Fähigkeit wächst nicht von selbst. Und oft sieht die Lösung einfach aus, wenn sie erstmal dasteht. Das verleitet dazu, die Mühe zu unterschätzen, die man investieren muss, um die Zusammenhänge und versteckten Stolperfallen gut genug zu verstehen, um das auch wirklich selbst hinzukriegen. Kontinuierlich dranbleiben und nachfragen ist also essenziell – vor allem auch dann, wenn zwar das Ergebnis irgendwie einleuchtend aussieht, man aber nicht wirklich sicher ist, wie man selbst dorthin hätte kommen können.
Welche weiterführenden Veranstaltungen bieten Sie an?
Mehrere Module im Bereich Kommunikationsnetze. Zunächst vor allem das Grundlagenmodul „Kommunikationsnetze I“, als Einstieg in den Bereich. Darin schauen wir uns – grob zusammengefasst – einmal im Gesamtbild an, wie das Internet funktioniert. Das liefert ein Verständnis aller wesentlichen Konzepte, die man braucht, um sich danach vertieft mit bestimmten Aspekten von Netzwerken zu beschäftigen – und weil die TU Darmstadt in diesem Bereich sehr erfolgreich ist mit richtig vielen wirklich guten Fachgebieten, gibt es da sehr viel Auswahl. Bei mir selbst stehen dann mehrere Module zur Auswahl, die sich nach den sogenannten Protokollschichten im Internet glieder. Sie beschäftigen sich zum Beispiel damit, wie all die Netzwerke, die gemeinsam das Internet bilden, zusammenspielen, um Daten zu ihrem Ziel zu bringen (oder wann und weshalb sie das nicht tun); wie man schnelle, effiziente und sichere Firewalls konstruiert; wie clevere Ideen in Protokollen dabei helfen, dass Webseiten zügig geladen werden oder Videokonferenzen ruckelfrei und ohne zu große Zeitverzögerungen laufen; wie man vollständig dezentrale Anwendungen bauen kann, die nicht durch einen Ausfall einzelner Server oder Teilnetzwerke lahmgelegt werden können; und so weiter.
Weitere Fragen
Welche Interessen und Hobbys haben Sie abseits von Ihrer Arbeit?
Ich wünschte, für so etwas wie Hobbys würde mehr Zeit neben dem Aufbau eines Fachgebietes an der Uni bleiben. Aber was ich mir nicht nehmen lasse, ist vor allem Zeit für zwei Dinge: mein Garten und gutes Essen, bevorzugt selbst gekocht.
Kaffee, Tee, Cola oder Mate?
Vormittags Kaffee, nachmittags Tee.
Mensa, Döner oder Wurstbrot?
Am liebsten selbst gekocht (s.o.), und wenn Not am Mann ist Döner.
Welche drei Dinge würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?
- Notebook mit 2) Satelliten-Internet und 3) ein maximal langweiliger virtueller Zoom-Hintergrund, damit niemand merkt, dass ich auf einer einsamen Insel abhänge.
Im Jahr 2030…
Bin ich schon wieder 8 Jahre älter. Und vermutlich in meinem sechzigsten Uni-Semester.